Lust auf Wurst. Bewusst genießen
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2009
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- ISBN: 978-3-442-39162-2
- 160 Seiten.
Wurst, Wurst und noch mal Wurst
Wie könnte jemand, der sich insbesondere mit der Rezension von Kochbüchern zum Thema Fisch befassen will, besser beginnen als mit einem Werk, das den Namen "Lust auf Wurst" trägt? Gar nicht, denn soviel sei vorweg gesagt, dieses Buch ist einfach toll, vorausgesetzt man gehört nicht zur Fraktion der Vegetarier oder ist aus anderen Gründen Fleischverächter.
Das 2009 im Goldmann-Verlag erschienene Buch des auf Rügen ansässigen und durch Presse und Fernsehen bereits bekannten Metzgers Marcus Bauermann, dessen Foto an eine Mischung aus Jean Pütz und Horst Lichter erinnert, ist keine klassische Rezeptsammlung, will dies aber auch gar nicht sein und tut auch gut daran. Glaubt man dem Klappentext des stabilen und schön bebilderten Buches, erwartet den Leser "ein Einblick in das Wesen der Wurst". Darüber mag man schmunzeln, oder es für einen vollmundigen Werbegag halten, spätestens der Blick in das Inhaltsverzeichnis aber lässt jeden Zweifler verstummen. Im Inneren des Buches warten so illustre Kapitel wie "Wurst ist Freundschaft", "Mut zur Wurst" oder "Wurst, Wein und Wahrheit" sowie - und das ist der heimliche Star des Buches - Marcus Bauermanns berühmtes Leberwurstrezept auf den wurstbegeisterten Leser. Wem im Übrigen im letzten Satz zu oft das Wort Wurst vorkam, dem sei von Bauermanns Buch an dieser Stelle bereits abgeraten, denn Wurst wird den Leser überall und an jeder Stelle erwarten, ob er will oder nicht.
Die Kapitel beschäftigen sich jeweils mit einem bestimmten Aspekt der Wurst, wie zum Beispiel ihrer Herstellung, ihren Begleitern (Brot, Öl, Gewürze, Wein etc...), ihrer Philosophie und ihrer Verkostung - denn sogar die will gelernt sein. Der von einer Ghostwriterin unterstützte Marcus Bauermann schreibt in einem sehr persönlichen Stil über sein Verhältnis zur Wurst. Anstelle eines anleitenden Textes mit einigen wenigen Anekdoten findet der Leser hier genau das Gegenteil. Marcus Bauermann schwelgt in vielen Erinnerungen, verliert sich aber nie in ihnen. So entsteht ein lebendiges Bild seiner Faszination für Wurst und allem, was mit ihr zu tun hat. Erstaunlich einfach aber ebenso weise zeigt er dem Fertigprodukte gewohnten Leser den Weg zu einer besseren (kulinarischen) Zukunft auf. Dieses Unternehmen beginnt mit der Jagd auf gute Zutaten. Der Einkauf im Supermarkt scheint ihm ein Gräuel zu sein - man solle sich stattdessen auf die Suche nach den Metzgern und Bäckern auf ländlichen Nebenstraßen machen, denn diese hätten noch die Muße ihr Handwerk so auszuüben, wie es die Ansprüche an gute Küche und qualitatives Kochen einfordern würden.
Der Star - eine Leberwurst?!
Die oben genannten Spezialisten, die - so könnte man meinen - aus einer vorindustriellen Zeit stammen, gilt es aufzuspüren, wenn man sich an den Star des Buches wagen will: Bauermanns geheimes Leberwurstrezept. Spätestens mit der Erscheinung dieses Buches ist es zwar mit der Geheimhaltung dahin, dafür wird aber vielleicht das eine oder andere deutsche Frühstück gerettet. Minutiös wird beschrieben, wie man die Zutaten besorgt und welche Gerätschaften benötigt werden. Dabei entsteht der Eindruck, man befinde sich auf einer Mission à la Indiana Jones - wenn auch nur auf der Suche nach fettem Schweinebauch und nicht dem heiligen Gral. Aber was heißt hier "nur" fettem Schweinebauch? Dieser soll nämlich ähnlich unauffindbar sein wie das Trinkgefäß des letzten Abendmahls. Bauermann kritisiert an diesem Beispiel die aktuelle Fleischwirtschaft und die daraus resultierenden Zuchtpraktiken und erzeugt auch hier wieder das Bild eines besseren Gestern, einer Welt, in der Geschmack noch wichtiger war als Profit.
Mir persönlich gefiel das im Buch vorgestellte Rezept zu Rib-Eye-Steak mit Folienkartoffel und selbst gemachter Sour-Cream am besten, womit ich mich in illustrer Gesellschaft befinde; immerhin ist es auch Marcus Bauermanns Lieblingsgericht.
Außer den beiden genannten Rezepten finden sich etwas mehr als ein Dutzend weiterer einsteigerfreundlicher Rezepte in "Lust auf Wurst". Dabei handelt es sich um Kochanleitungen aus ganz verschiedenen Bereichen: Brote, Salate, Hacksteaks oder auch die bereits erwähnte Sour Cream. Sie alle aber haben gemeinsam, dass man sie sehr gut zu Wurst essen kann. Der Schwierigkeitsgrad, der nicht gesondert angegeben wird, liegt eher in der Beschaffung hochqualitativer Zutaten als in der Herstellung der fertigen Gerichte. Die Anweisungen sind klar verständlich und bieten gute Hilfestellungen. Wer zwischen den Zeilen liest, findet darüber hinaus neben vielen weiteren Tipps und Anregungen zu Gerichten auch Hinweise zum richtigen Grillen oder dem perfekten Messer, so dass dem geneigten Wurstfreund sicher noch eine Menge eigener Ideen kommen werden.
Es geht um die Wurst bzw. ihre Philosophie
Obwohl ich weder Marcus Bauermann noch seinen Onkel Fritz oder seinen Hund Bella je begegnet bin, habe ich nach Lesen seines Buches das Gefühl, sie alle zu kennen. Oder wie Bauermanns Frau Viola es ausdrückt: "Man muss deine Wurst nicht essen, allein wenn du über sie sprichst, ist es, als würde man sie kosten, man spürt sie im Mund, wenn du von ihr redest." Das Buch transportiert tatsächlich viele Eindrücke: von Wurst, von liebevoller Herstellung, von Menschen, die ihren Beruf lieben und letzten Endes auch von Geschmack. Auch wenn man sagen muss, dass Bauermanns Erzählungen manchmal vielleicht etwas sehr nostalgisch erscheinen mögen, bleibt das Buch doch eine liebevolle Hommage an das, was er liebt und von dem er will, dass auch andere es schätzen lernen. Ich jedenfalls hatte nach Lesen des Buches große Lust auf Wurst und glaube, dazu noch etwas über sie und manch andere Dinge gelernt zu haben, vielleicht bin ich aber auch ein wenig in die Nostalgiefalle getappt.
Marcus Bauermann, Goldmann
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