Kochen (fast) ohne Zeit
- Mosaik
- Erschienen: Januar 2009
- 1
- ISBN: 978-3-442-39139-4
- 192 Seiten.
Drei, zwei, eins: Mahlzeit
In sieben Kapiteln zeigt Hans Gerlach, Koch, Food-Stylist und Kochbuch-Autor, wie man das schafft: „Kochen (fast) ohne Zeit“. Gerlach greift dabei eines der am häufigsten gegen eigenständiges Kochen mit frischen Produkten vorgebrachten Argumente auf: ‚Kochen kostet zu viel Zeit, das schaffe ich im Alltag nicht‘.
Dass selbstständiges Kochen nicht notwendigerweise länger dauert als die Zeit von der Bestellung bis zur Lieferung beim Pizza-Service, haben schon einige Fernsehköche vorgeführt. Dabei hat dann aber immer der Profi gekocht – kein wirklich fairer Vergleich. Was also schlägt Gerlach vor, um auch Kochlaien zum schnellen Kochen zu verführen?
Drei Grundsätze nennt der Autor, wenn es darum geht, Zeit zu sparen:
- „One-Stop-Shopping“: Alle Zutaten sollen in einem Geschäft gekauft werden,
- wenig schneiden, und wenn, dann große Stücke und
- kurze Garzeiten.
So weit, so gut – das klingt plausibel. Wie aber wirkt sich die Umsetzung dieser Grundsätze in Rezepten aus?
Gerlach führt zunächst im Kapitel „Zeit für Kinder“ vor, wie man die Vorlieben und Abneigungen von Kindern geschickt so in die Rezepturen einbezieht, dass alle Beteiligten am Ende glücklich werden können – gut zu sehen im Rezept „Baukastenkartoffeln“. Hier werden Kindern und Erwachsenen unterschiedliche Zutaten getrennt angeboten, sodass man beim Essen nach Belieben mischen, würzen und weglassen kann.
Im Kapitel „Kochen lassen“ sollen sowohl aus kulinarischer als auch aus ernährungsphysiologischer Sicht Fertig- bzw. Halbfertigprodukte verwendet werden. Hier fremdelt der Meisterkoch verständlicherweise und lässt deshalb die Einführung zu diesem Kapitel von seiner Gattin schreiben. Mit einer schriftlichen Entschuldigung versehen, bietet er allerdings Rezepte, in denen man die industriell gefertigten Produkte nicht auf Anhieb findet. Ich konnte hier nur Halbfertigprodukte wie Tiefkühl-Spinat oder Instant-Polentagrieß ausmachen: In keinem der Rezepte wird nur erhitzt; es muss durchaus mit frischen Zutaten gekocht werden. Also: Alles halb so wild.
Überaus sympathisch das Kapitel „Kochen für Gäste“, in dem Gerlach dafür plädiert, Gäste nicht mit überzogenem Aufwand und Kochkunst-Geprahle zu brüskieren, sondern stattdessen Schwerpunkte zu setzen und Themenabende in Erwägung zu ziehen. Die auf die Einleitung folgenden Rezepte lassen diese Absicht gut erkennen. Sie sind meist einfach umzusetzen, lassen am Tag der Einladung noch genug Zeit, sich um die Gäste zu kümmern und – auch nicht unwichtig: Wer auf diese Weise bewirtet und seine Gäste nicht mit Kochprotzerei einschüchtert, wird später dann auch gern eingeladen.
Im Kapitel „Zeitgeschenke“ werden Rezepte vorgestellt, die zwar handwerklich vergleichsweise wenig Zeit kosten, dafür aber lange Garzeiten erfordern. Dies ist der Raum für Suppen, Eintöpfe, Schmorbraten und Ähnliches.
Am wenigsten überzeugt das Kapitel „Die Zeit steht still“. Gerlach greift hier das Thema ‚Zeit sparen‘ von einer anderen Seite auf: Mit Küchenmeditation verbrachte Zeit sei keine verlorene, sondern gewonnene Zeit. Dabei zeichnet der Autor ein Bild von der meditativen Versenkung beim Teigkneten und Wellenschnitt. Man sieht es förmlich vor sich, wie Wellenschnitt-Novizen nach den ersten Erleuchtungserlebnissen auf den blutigen Boden der Realität zurückfinden. Im Ernst: Der in der Einführung zu diesem Kapitel zitierte ‚Zen-Priester aus Kalifornien‘, der „seine Schüler anhand von Kochkursen in den Zen-Buddhismus“ einführt, ist sicher ein bemerkenswerter Fleck auf der Karte interessanter Entwicklungen rund ums Kochen. Aber so ganz nebenbei ein bisschen Wellness und Meditation verwürzen – das hätte Gerlach besser vermieden. Die Rezepte in diesem Kapitel hingegen sind auch ohne innere Versenkung problemlos umzusetzen.
Deutlich handfester dagegen das letzte Kapitel „Einmachen und Konservieren“. Hier setzt der Autor allerdings voraus, dass die Leserinnen und Leser über entsprechendes Gerät verfügen. Dass ein Einkochautomat zurzeit mit gut 100 Euro zu Buche schlägt, sollte man vielleicht erwähnen.
Alles in allem: ein aufschlussreiches, mit vielen zum Teil ungewöhnlichen Zutaten-Kombinationen gefülltes Kochbuch, das seinem Thema „Kochen (fast) ohne Zeit“ (fast) durchweg treu bleibt. Sicher sollten Kochlaien bei den Zeitangaben jeweils 5 bis 10 Minuten hinzufügen, denn wer pflegt in der heimischen Küche schon eine Mise en place? Die Rezepte sind bis auf wenige begriffliche Unschärfen (wie zum Beispiel bei Quark als Zutat ohne Angabe der Fettstufe oder der Unterscheidung von Fertig- und Halbfertigprodukten) sehr gut erläutert. Gelegentlich driftet der Autor in den Wellness- Slang oder vermeidbare Amerikanismen ab („Flow“, „One-Stop-Shopping“, „meditative Verschmelzung mit dem Jetzt“ usw.), aber dies trübt nur punktuell das Vergnügen an der Lektüre dieses auch handwerklich überaus ansprechend gestalteten Buchs.
„Kochen (fast) ohne Zeit“ eignet sich auch für Anfänger mit Grundkenntnissen und ist eine sinnvolle Ergänzung jeder Kochbuch-Bibliothek.
Hans Gerlach, Mosaik
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