Die Chinesische Tempelküche

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  • Erschienen: Januar 2010
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  • ISBN: 978-3-03800-498-1
  • 232 Seiten.
Die Chinesische Tempelküche
Die Chinesische Tempelküche
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Claudia Schirrmeister
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Kochbuch-Couch Rezension vonMai 2010

Praktikabilität

Grundsätzlich nicht gekennzeichnet, aber mit ein wenig Wok-Erfahrung sollten auch aufwändigere Rezepte gelingen. Sehr gut, es gibt Tipps zur Zubereitung. Gleichzeitig Informationen zur buddhistischen Lebens- und Essphilosophie. Das Aufsuchen von Spezialgeschäften wie Asia Shops o.ä. ist unerlässlich; viele Zutaten sind hierzulande im Allgemeinen weitgehend unbekannt.

Ausstattung

Fester Einband; Rezepte sind in sehr übersichtlichen Textpäckchen formatiert, die Speisen sind ansprechend großformatig fotografiert; stimmungsvolle Fotos der Klöster und Landschaften; Glossar und Rezeptregister am Ende des Buches.

Von vegetarischen Enten und der Kraft der Zurückhaltung

Sich vegetarisch zu ernähren, kommt immer mehr in Mode, zeugt es doch von einem großen Ernährungs- bzw. Körperbewusstsein, das in westlichen Industrienationen in den letzten Jahren angesagt ist. Fleischloses Essen gilt als gesund, weil relativ fettarm, was wiederum einen schlanken Körper - gegenwärtiges Sinnbild alles Schönen und Gesunden - verspricht.

Aber Vegetarier werden zudem wegen ihrer ethischen Haltung insbesondere gegenüber der Nutztierhaltung und ihrer Disziplin ehrfürchtig bewundert – sie passen auf, sortieren sozusagen Nahrungsmittel nach "gut" und "schlecht", sie stopfen nicht alles in sich hinein, verfügen über die Kraft der Zurückhaltung und damit der Härte gegen sich selbst. Allerdings ist es wenig chic und dazu noch unkreativ, einfach nur Gemüsesaft, Obst und andere Vegetabilien, Nudeln, Nüsse und Eierpfannkuchen zu essen, nein, nachgefragt sind Esskonzepte, thematisch eingebunden in Geschichten. So beeindruckt man kaum mit schlichtem Erbsen- und Möhrenbrei als mit Speisen aus der Kräuterküche nach Hildegard von Bingen oder der Befolgung der Essregeln beispielsweise von Laotse oder Konfuzius - Geschichten werden auch in der vegetarischen Küche verwirklicht. Damit gelangt in gewisser Weise Fremdartiges auf den Teller, das für die entsprechende Exotik, für Anregung und Vergnügen auch im Leben eines Vegetariers sorgt. Sich zu disziplinieren, fällt dann leichter, wenn man weiß, dass der zum Vorbild erkorene Konfuzius vor einer Currywurst sicherlich nicht schwach geworden wäre. Außerdem machen Shiitakepilze in der Brühe viel mehr her als geläufige Wiesenchampignons.

Diese Strömungen in der aktuellen Esskultur nutzen viele Kochbuchautoren, indem sie - im Falle der vegetarischen Küche - auf das aus westlicher Perspektive Land des Vegetarismus schlechthin, nämlich Asien und seine Essphilosophien, verweisen. Da der Verzicht auf Fleisch Krankheiten vorbeugen soll, wird Vegetarismus oftmals mit gesundheitsbewusster Ernährung, eben der Gesunderhaltung des Körpers gleichgesetzt. Auch hierfür dienen die hochbetagten Menschen in asiatischen Regionen als Vorbild: Gesundes Essen beschert ein langes Leben. Glauben wir daran, dass die Lebensdaten dieser meist in Dörfern wohnenden Personen stets korrekt dokumentiert wurden und werden. Wenn man nun noch ein ausgewogenes Leben im Einklang mit sich selbst und der Welt lebt, wie dies ebenfalls vorbildlich die asiatischen Religionen und Philosophien lehren, kann eigentlich selbst beim gestressten westlichen Industriestaat-Subjekt nichts mehr schief gehen, was Wohlbefinden und Lebensdauer angeht.

Das vorliegende Kochbuch reiht sich nicht nur ein in das Geschichtenerzählen, es vereint all die genannten positiven Aspekte bereits in seinem Titel: "Die Chinesische Tempelküche. Vegetarische Originalrezepte aus berühmten buddhistischen Klöstern. Rezepte für ein langes Leben". Und natürlich, Authentizität ist auch dabei; sie wird mit den "Originalrezepten" und mit den herrlichen, großformatigen mystisch-spirituellen Fotos der Klöster und seiner Bewohner ebenfalls geboten. Was will man mehr? Behutsam umfassen auf dem Umschlagfoto die Hände eines buddhistischen Mönchen ein Tonschälchen, gefüllt mit Reis und Gemüse - nein, es ist keine kleine Katze, denn Fleisch ist in diesem Buch tabu. Lassen Sie sich nicht von Zutaten wie "vegetarischer Ente" irritieren. Aber ganz im Ernst: Das Buch der Sinologin Martina Hasse ist bemerkenswert, was seine Stimmigkeit betrifft. Fünf Klöster Szechuans hat sie zusammen mit dem Fotografen Jan-Peter Westermann besucht und die alten Rezepte seiner Mönche bzw. Nonnen und Köche dargestellt - nur "aufgeschrieben" zu sagen, erschiene zu gering. Zu Beginn liefert Hasse auf rund 25 Seiten eine Einführung in die Philosophie des buddhistischen Vegetarismus und der Vorteile, die ein Leben ohne Fleischverzehr versprechen. Damit ermöglicht sie auch dem Laien ein Verständnis dieser fremden Kultur, sie macht ihn mit der fremden Esskultur und ihren Hintergründen bekannt. Sie informiert anhand etlicher Zitate aus den Lehrwerken des Buddhismus über eine Lebenshaltung, die Zufriedenheit und gesundes Altwerden ermöglicht.

In ihrem Buch ergänzen sich die Darstellung der speziellen Örtlichkeiten, ihrer Bewohner und ihrer Gedanken, die Speisenzubereitung und die Produkte in hervorragender Weise. Die Fotos lassen es uns quasi miterleben: Da präsentiert etwa der milde lächelnde Mönch Qingzhao in einem schlichten Porzellanschüsselchen Süßkartoffelblätter mit Gingkokernen, da liegt eine ruhige Abenddämmerung über dem Wuyousi-Kloster und taucht die Landschaft in ein sanftes Blau.

Jedes Kloster verdient sein eigenes Kapitel in diesem Band: Hasse erzählt zunächst die aufgrund politischer Umstände in China oft wechselvolle Historie der Gotteshäuser, die Personen in den Klöstern werden namentlich vorgestellt - der Leser wird sozusagen in diese Welt eingebunden -, einige Klöster betreiben professionelle Restaurants, in denen auch weltliches Personal beschäftigt ist. Neben den Zutaten und der Zubereitung der Speisen wird der Hobbykoch mit "Tipps", "Variationen" und "Produkthinweisen" versorgt. Allein die Überschrift "Anti-Aging-Drinks", worunter Getränke wie "Goldfädendatteltee" fallen, bricht das spirituelle Gesamtkonzept, indem sie zu sehr an das hiesige Diesseits verweist. Eine im Grunde schlichte Küche wird hier präsentiert, die ohne schwere und aufwändige Saucen auskommt und von der Frische der Zutaten und der überwiegend kurzen Garzeiten gekennzeichnet ist. Vor allem der Besitz eines Woks ist für ein gutes, sprich "originales" Gelingen unerlässlich. Anfänger mögen bei einigen Gerichten wie den "Knusperwickeln aus Tofuhaut mit Sesam" (S. 42) Schwierigkeiten haben, beim Frittieren die geeignete Temperatur zu erreichen, damit die feinen Tofufäden eben nicht verbrennen, aber knusprig braten. Angaben zum Schwierigkeitsgrad der Rezepte fehlen, Hasse gibt aber, wie erwähnt, hilfreiche Hinweise für die Zubereitung. Mit ein wenig Wok-Erfahrung sollten die anspruchsvolleren Rezepte zu meistern sein. Für alle Nicht- oder Halbexperten der chinesischen vegetarischen Küche ist das Glossar am Ende des Buches äußerst aufschlussreich und interessant, hier erfahren sie zum Beispiel, was denn nun ein "vegetarisches Huhn" bzw. eine "vegetarische Ente" ist und - nicht unwichtig - wo man denn so etwas kaufen kann, die Angaben zu den Bezugsquellen stellen eine große Hilfe dar. Das alphabetische Rezeptverzeichnis nach dem Glossar schließt das 232 Seiten starke Buch ab, das als grandioser Bildband auch strikte Nicht-Vegetarier begeistern dürfte.

Fazit:

Martina Hasses Kochbuch passt zwar hervorragend in das moderne Geschichtenerzählen, das an sich profane Alltagsdinge auch aus kommerziellen Gründen mehr und mehr umwebt, an den Texten rund um die Rezepte merkt man jedoch, dass hier eine Kennerin der Kultur und Region am Werke war, deren - man kann wohl sagen - Liebe zu dieser Welt und ihren Menschen offensichtlich ist.

Die Chinesische Tempelküche

Martina Hasse, AT

Die Chinesische Tempelküche

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