Master Cheng in Pohjanjoki

Film-Kritik von Carola Krauße-Reim (03.2021)

Kommt ein chinesischer Koch nach Finnisch Lappland...

Der chinesische Koch Cheng kommt mit seinem Sohn nach Pohjanjoki, einem kleinen Dorf in der Einsamkeit Lapplands. Er sucht dort einen alten Freund, doch den scheint hier niemand zu kennen. Für eine Übernachtungsmöglichkeit hilft er Restaurantbesitzerin Sirkka in der Küche. Was anfänglich kritisch beäugt wurde, wird bald zum Magnet für zahlreiche Gäste – Chengs köstliches asiatisches Essen. Bald leben sich Cheng und sein Sohn ein und als sein Touristenvisum abläuft, ist das nicht nur für die beiden ein Problem, sondern auch für Sirkka. Ihre Kochkünste sind sehr unterentwickelt und außerdem ist da viel mehr als nur als Gemüseschnippeln zwischen ihr und Cheng passiert. Eine Lösung muss her!

Wenig Narration wunderbar umgesetzt

Es gibt nur wenige Schauplätze, die Personenzahl hält sich in Grenzen und es passiert nicht wirklich viel im Film, aber dennoch packt er den Zuschauer von der ersten Minute an. Wenn Cheng und sein Sohn Nunjo müde und auch etwas einsam in Sirkkas Restaurant sitzen und niemand Chengs Freund Fontron kennt, haben die beiden gleich die Sympathien der Zuschauer sicher. Die wenige Narration beschränkt sich dann auch auf das Zusammenfinden und Zusammenleben von zwei völlig unterschiedlichen Kulturen.

Regisseur Mika Kaurismäki lässt den Schauspielern viel Raum, Gefühle durch Mimik und Gestik zu zeigen oder Dialoge ganz natürlich erscheinen zu lassen. Allen voran natürlich Pak Hon Chu als Cheng und Anna-Maija Toukko als Sirkka, die beide eine Basis erst für ihre Zusammenarbeit und später für ihre Freundschaft finden müssen. Kari Väänänen als Romppainen und Vesa-Matti Loiri als Vilppula geben zwei herrlich kauzige Alte, die so manchen Lacher auf ihrer Seite haben und Lucas Hsuan als Nunjo hat zwar sehr wenig Text, vermittelt seine Gefühlswelt aber so hervorragend durch Blicke oder beständiges Spielen mit dem Handy, dass viele Worte nur fehl am Platz wären.

Essen als Heilmittel und Seelentröster

Nicht nur Liebe geht durch den Magen – Freundschaft auch! Sirkkas Kochkünste beschränken sich auf Kartoffelbrei, geraspeltes Gemüse und Würstchen in jeder Form – das war‘s. Und so hält sich die anfängliche Skepsis, was chinesisches Essen betrifft, nur kurz unter den Finnen. Cheng zaubert nicht nur köstliches, sondern auch heilsames Essen. Er weiß, was jeder gegen seine Gebrechen oder Wehwehchen braucht oder besser, was ihm nicht guttut.

„Essen kann heilen – manchmal“, denn es ist ein wichtiger Bestandteil der traditionellen Chinesischen Medizin. Und die Kochkünste sprechen sich herum und schon bald brummt der Laden. Keiner hat ein Problem damit, dass Cheng kein Finne ist, Schattenboxen auf der Wiese betreibt oder sehr zurückhaltend ist. Hier wird Integration gelebt! Und so entsteht langsam eine enge Beziehung zwischen Cheng und Sirkka. Beide sind einsam: Sirkka ist geschieden und Cheng muss mit dem Unfalltod seiner Frau zurechtkommen, der auch wie ein Damoklesschwert über der Beziehung zu seinem Sohn hängt. Nunjo verkraftet die Situation nur schwer, die Kommunikation zwischen ihm und seinem Vater ist gestört. Beide leiden, doch sie wissen nicht, wie sie aus diesem Kreislauf entkommen können und so greift Sirkka ganz behutsam und sanft ein.

Bald hat Nunjo Freunde gefunden, taut auf, verlässt seine kleine Handywelt und reißt damit auch Chengs seelische Mauern ein. Die daraus resultierende Liebesgeschichte zwischen Cheng und Sirkka nimmt zwar nur wenig Raum im Film ein und die Lösung für das Problem mit dem Visum kommt ebenfalls etwas plötzlich, aber das rundet den Film auch nur ab ohne dabei zu kitschig zu werden.

Ein Film, der Mut macht

Die Geschichte um Cheng, Nunjo und Sirkka macht Mut: Sie zeigt, dass ein Tiefpunkt im Leben nicht ewig dauern muss und, dass Integration nicht nur möglich, sondern ganz natürlich ist. Eingebettet wird diese Botschaft in eine Landschaft, die bezaubert. Finnland im Sommer bedeutet helle Nächte, Stille, Einsamkeit, glasklare Seen und ursprüngliche Wälder – einfach magisch. Und wenn dann Cheng, Romppainen und Vilppula auf einem Floss sitzen und mitten auf dem ruhigen See melancholische Lieder singen, ist auch der finnischen-chinesischen Schwermut Genüge getan.

Auch der Humor kommt bei dieser Geschichte wirklich nicht zu kurz – wie sollte es anders sein, wenn chinesische Kultur auf finnische trifft. Zum Kaputtlachen ist die Suche nach Fontron und die Erkenntnis, wer wirklich dahinter steckt, hat ausreichend Szenenwitz!

Fazit:

„Gutes Essen führt Menschen zusammen, und das ist genau das, was ich machen wollte: einen Film, der Menschen zusammenführt“. Das sagt Regisseur Mika Kaurismäki und es ist ihm gelungen. „Master Cheng in Pohjanjoki“ ist ein wunderbarer Film über Freundschaft, Liebe, Integration, Trauer, Solidarität und vor allem gutes Essen!

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Fotos: © 2019 MARIANNA FILMS OY, BY MEDIA, HAN RUAN YUAN HE

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