Gewürze - das große Kochbuch
- Umschau
- Erschienen: Januar 2010
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- ISBN: 978-3-86528-694-9
- 240 Seiten.
Die wundervolle Welt der Gewürze.
Gewürze verwandeln einfache Gerichte in aufregende Kreationen. Sie können verzaubern und verführen, stärken und heilen, Mut machen und aphrodisieren. Gewürze verdienen volle Aufmerksamkeit, denn dann geben sie die Fülle ihrer Aromen preis. Über 50 Gewürzen und Gewürzmischungen wird diese Aufmerksamkeit zuteil. Faszinierende Porträts mit Anwendungen und Anekdoten, Wissenschaftlichem und Wissenswertem ermutigen zum kreativen Umgang mit Gewürzen wie die 40 facettenreichen Gerichte des Spitzenkochs Danijel Kresovic zeigen.
Die wundervolle Welt der Gewürze!
Die mit über 90 veröffentlichten Koch- und Esskulturbüchern routinierte und mehrfach ausgezeichnete Autorin Rose Marie Donhauser und der junge, jüngst in die Elite der Spitzenköche aufgestiegene Chef eines renommierten (Hotel-)Restaurants am Berliner Kurfürstendamm, Danijel Kresovic, haben sich zu dem wahrlich großen und großartigen Band "Gewürze. Das große Kochbuch" zusammengetan. Eine glückliche Verbindung, wie das 2010 im Umschau-Verlag erschienene Buch deutlich belegt, könnte man doch Kresovic – er würde es gern hören – als moderne Kräuterhexe bezeichnen, dessen Gewürzkräuter im eigens angelegten Garten auf der Dachterrasse des Restaurants gedeihen und der im Rezeptteil Einblicke in seine Kräuterküche gewährt, wobei Donhauser dem Leser zuvor diese Ingredienzien auf äußerst informative und kurzweilige Weise näher gebracht hat.
Schon das Umschlagfoto spiegelt das zweiteilige Konzept des Bandes: Auf der linken Seite des Covers sehen wir die "rohen" Gewürze, rechts die mit ihnen angereicherten "fertigen" Speisen. Das insgesamt 240 großformatige Seiten umfassende schwere Werk, das sich mit Hardcover, Lesebändchen, Hochglanzfotos und elegantem Schriftgrau auf weißem Grund mit übersichtlichem Layout sehr edel präsentiert, beinhaltet nämlich eigentlich zwei Bücher. Unter dem Motto "Die wundervolle Welt der Gewürze" berichtet die Autorin allerlei Wissenswertes zum Thema, von der Abhandlung des physiologischen Phänomens Geschmack beim Menschen, über kulturhistorische Informationen, ökonomische Entwicklungen bis in die Gegenwart, aufschlussreiche etymologische Einblicke bis hin zur Warenkunde mit praktischen Tipps zur Lagerung und Verarbeitung von Gewürzen. Diskutiert werden hier auch die entsprechenden Hilfsmittel, Gerätschaften wie Mörser oder Mühlen zur Pulverisierung. Ein prägnant zusammengefasster Rundumschlag zum Gold des Mittelalters, der gleichzeitig Wissen vermittelt und Ratgebercharakter besitzt.
Viele Leser werden die Inhalte zum Heilvermögen von Gewürzen interessieren; zwei Doppelseiten stellen in einer übersichtlichen Tabelle die Wirkkräfte der einzelnen Gewürzkräuter auf unseren Körper dar, von A wie Ajowansamen bis Z wie Zitronengras. In den Texten werden die Erkenntnisse des römischen Arztes Galen ebenso erwähnt wie die hierzulande in Mode gekommenen diversen asiatischen Naturheilverfahren. Die Apotheke als historischen Gewürzladen "ehrt" Donhauser – dies zeigt die Umsichtigkeit der Autoren – in einem eigenen Abschnitt. Damit nicht genug: Es folgt ein kleines Gewürzbrevier, in dem mehr als 50 Gewürze vorgestellt werden inklusive ihres botanischen Namens, der Herkunft, der Verbreitung und weiterer Informationen. Zusätzlich zur Beschreibung des Aussehens zeigt sich das jeweilige Gewürz bzw. Kraut auf einem ganzseitigen Foto.
Ansprechend strukturiert wird dieses Lexikon von kleinen Icons, die als inhaltliche Wegweiser fungieren und deren Bedeutungen auf dem Inneneinband und im Inhaltsverzeichnis leicht nachzuschlagen sind. Der Kochtopf steht hier beispielsweise für die "Verwendung in der Küche". Eine schöne Idee. In diesen "Lexikon"-Artikeln sind bereits Seitenverweise auf das Rezept vermerkt, das dieses Gewürz aufnimmt. Der Zahlendreher beim "Zucker" – das "passende" Gericht steht nicht auf Seite 158, sondern auf Seite 185 – ist angesichts der ansonsten geordneten Vielfalt leicht verzeihlich. Das großzügige Layout reserviert für jedes Gewürz mindestens zwei Seiten, für Pfeffer, Salz und Zucker mit ihren vielen Varianten noch einige Seiten mehr. Anspruch auf Vollständigkeit besteht allerdings nicht: Wir finden Fremdes wie Sumach; Petersilie, Schnittlauch oder Kerbel suchen wir vergeblich. Dabei ist das zugrunde gelegte Spektrum weit gefasst. Berücksichtigung erfährt alles, was Speisen zusätzlich würzt, ihnen zusätzliches Geschmacksaroma verleiht, wozu neben Gewürzen und Kräutern auch Essige und Öle gehören. Rezepte für beispielsweise Gewürzmischungen oder Rosmarinöl fehlen nicht.
Ab Seite 142 schließt sich dann das "eigentliche" Kochbuch mit Kresovics Rezepten an. Jedes Gericht setzt sich aus mehreren einzelnen Speisen zusammen und ergibt – auf einem Teller geschickt angerichtet, wozu eigens eine Anleitung geliefert wird – ein Gesamtkunstwerk, welches das ganzseitige Foto eindrucksvoll demonstriert. Wie schon bei den Gewürzen dominiert bei den Speisefotografien schlichte Eleganz, können derbe Leinensäcke voller Muskatnüsse betören, glänzt das Essen auf schlichten weißen Tellern – es ist Rosenthal-Geschirr, so erfahren wir in Kresovics Danksagung am Ende des Buches – auf einfarbigem, meist weiß-hellem Hintergrund ohne Schnick-Schnack drum herum. Das Edle und Wertvolle gibt den Ton an in diesem Buch – natürlich, es geht um Gewürze, und die waren bereits historisch kostbar und für die meisten Menschen unerschwinglich, während sie heute zumindest als sinnliches Gut ihre besondere Symbolkraft erhalten haben, die mit einer Publikation wie der vorliegenden noch weiter gestützt und ausdifferenziert wird. Nur "Salz"? Es darf auch Kalahari- oder Maldon-Salz sein. In den Rezepten finden wir also die Gewürze aus dem "ersten Buch" wieder, umgeben von exklusiven und exquisiten Zutaten.
Ein wenig Unerschrockenheit ist hier beim unbedarften Koch durchaus nötig, manch einer wird angesichts eben dieser Zutaten beim Gedanken allein an die Beschaffung und die Preise – nicht zu sprechen von der Umsetzung – der dekorativen Speisenanrichtung gedanklich Reißaus nehmen, jedoch: kein Grund! Gut, "Giersch" oder "Noilly Prat" sind nicht jedem geläufig und werden selbstverständlich nicht als Krautgewächs oder Weißweinwermut erklärt, aber die Herstellung der Speisen und deren Anrichtung werden detailliert und anschaulich beschrieben und sind überwiegend nicht kompliziert. Also besteht kein Grund, sich von der zugegeben aufwändigen Gesamtkomposition einschüchtern zu lassen. Wer weniger Zeit investieren möchte oder kann – verständlicherweise liefert Kresovic keine Zeitangaben für die Kreation eines Gesamtkunstwerks, wie man es im Buch abgebildet vorfindet –, wählt eine Speise aus dem Gesamttableau aus; die Rezepte der einzelnen Speisen sind im Layout übersichtlich voneinander abgehoben. Sicher wäre dies ein Frevel in den Augen des Maître, fügt sich aber in den Alltag vieler Leute. Ebenso grenzt es sicher an Blasphemie, statt der empfohlenen La Ratte-Kartoffel die gemeine Sieglinde- oder Bintjeknolle zu verwenden, doch erleichtert diese 'Abkürzung' die Beschaffung enorm. Basilikumsuppe, Rochenflügel mit Sesam, Taubenbrust mit Süßholz, Lavendelgrissini, Limoncellogelee oder Wildlachs eingelegt in (u.a.) Zimt-Marinade, da gesellt sich der Schweinebauch zur Jakobsmuschel – oho!
Man ahnt bereits bei der Lektüre die Schmackhaftigkeit und Besonderheit der Speisen. Und wer die Mühe und Herausforderung nicht scheut, wird beim Kochen und Servieren der Gesamtkompositionen, die sich – hier gibt Kresovic Kombinationsempfehlungen – zu Menüs verbinden lassen, alle Esser am Tisch beeindrucken. Überdies versorgt Kresovic den Hobbykoch mit gut gewürzten Grundrezepten für Lammjus, Fischfond oder Gemüsebrühe. Zu jedem Gericht schlägt ein Berliner Weinhändler einen begleitenden Tropfen vor; es bleibt allerdings nicht bei der Nennung des Weines, sondern jeweils zwei, drei Sätze erläutern, weshalb dieser Wein als zum Gericht passend empfunden wird. Keine Frage, dieses Kochbuch bedient das Segment der gehobenen Ess- und Kochkultur. Aber auch derjenige, der nicht (so) gern kocht, wird sich am ersten informativen Gewürzteil und an den herrlichen Fotografien erfreuen, zudem erfährt er, was man mit Gewürzen in den Speisen so alles treiben kann.
Fazit:
"Gewürze verzaubern und verführen" heißt es im Vorwort, und dies gilt ebenfalls für dieses Buch zum Thema. Die Präsenz von Berliner Unternehmern, sei es die kommentierende Apothekerin, der beratende Weinexperte, der versierte Gewürzhändler, ist auffällig, und offensichtlich hat Kresovic zu einigen Unternehmern in der Hauptstadt eine besondere Beziehung. Abgesehen von der Dokumentation des beruflichen Werdegangs Kresovics wäre die (Selbst-)Darstellung der Autoren in Foto und Text jedoch nicht unbedingt notwendig gewesen. Der "Small Talk" irritiert angesichts des sonst eher rational-informativen Charakters des Buches. Ein wenig mehr Zurückhaltung hätte dem vornehm-edlen Band, der ansonsten ohne Schnick-Schnack auskommt, besser zu Gesicht gestanden.
Rose Marie Donhauser, Umschau
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